Wertminderung wegen Alters in der Sachwertermittlung – Teil II
Welche Methode zur Wertminderung wegen Alters ist „richtig“? Um es kurz zu machen zitiere ich aus Kleiber „Verkehrswertermittlung von Grundstücken“, 6.Auflage Seite 1154 „Über den Verlauf der marktgerechten Alterswertminderung nach §23 ImmoWertV gehen die Auffassungen auseinander. Diese reichen von der Annahme, dass der Gebäudesachwert mit der Errichtung der Bebauung – quasi wie im Falle der Weiterveräußerung eines Neuwagens – schlagartig absinke, über die lineare Wertminderung bis hin zur sogenannten Rosskur.“
Eine scharfe Ansage sieht anders aus.
Im Vorfeld der ImmoWertV habe ich es anderen Sachverständigen gleich getan und dem Bundesministerium Anregungen mitgeteilt. Es geht mir aber nicht um diese Anregungen oder die Substanz dieser Anregungen, sondern den Hinweis den ich hinsichtlich der linearen Wertminderung erhalten habe. Ich muss aber, um keinen falschen Eindruck zu erwecken, ausdrücklich darauf hinweisen, dass meine Anregungen wohl von geringer Substanz gewesen sein werden und mit Ausnahme einer einzigen und von mir gewünschten Eingangsbestätigung der Gedankenaustausch einseitig erfolgte. Jedenfalls habe ich im Zusammenhang mit meinen Anregungen den Hinweis bekommen, dass ein Ziel der ImmoWertV Verschlankung und Harmonisierung seien und allein aus diesem Grund einiges für die lineare Wertminderung spricht. Schließlich entspricht die lineare Wertminderung dem Wirtschaftsleben. Nun ich kann dem natürlich nicht widersprechen. Es ist nicht mein Fachgebiet. Aber seit dem 03.10.1990 bin ich als Sachverständiger überwiegend freiberuflich tätig. Neben der eigentlichen Sachverständigentätigkeit sind da unvermeidbar auch andere Aufgaben. Zunächst baut man ein Büro, wenn man keines mietet. Man erweitert das Büro, wenn es läuft und man kauft Dieses und Jenes. Man tut auch etwas für die Altersvorsorge. Wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es schon überraschend, welche Arbeiten auch die kleinste freiberufliche Tätigkeit so mitbringen. Ich kann mich eigentlich nicht erinnern, dass irgendetwas mal über eine feste Zeit linear auf die Anschaffungskosten abgeschrieben wurde. Ganz im Gegenteil, ich habe gänzlich andere Erinnerungen an meine Investitionsüberlegungen. Insofern halte ich den Hinweis auf das Wirtschaftsleben einfach für falsch. Andererseits müsste man bei dem Hinweis auf das Wirtschaftsleben auch die Frage nach dem Verhältnis von Verkaufserlös und Anschaffungskosten bei sofortigem Verkauf beantworten. Einen Neuwagen kann man jedenfalls nur mit großen Verlusten weiterveräußern. Einen PC im Originalkarton von Aldi (ALDI-PC, November 1995, 100MHz, 1.979DM) der ersten Generation konnte man vielleicht sogar noch mit Gewinn weiterveräußern. Aber dieser Coup von ALDI ist auch in die Handelsgeschichte eingegangen und die Schlangen vor ALDI gibt es am Mittwoch auch nicht mehr. Nicht weil diese PC nicht mehr am Mittwoch in die Filiale kommen, sondern weil es keine ungewöhnlichen Verhältnisse mehr sind. Meinen aktuellen ALDI-PC (399€) hätte ich im Netz fast zeitgleich zu dem Angebot auch 50€ billiger im Medionshop als B-Ware (Rückläufer) bekommen können oder für 300€ bei ebay. Ich habe trotzdem den vollen Preis bezahlt, weil der originalverpackte PC mit Kassenbon mir mehr wert ist, als ein weiterverkaufter PC mit geöffnetem Karton. Also wenn schon die Harmonisierung mit dem Wirtschaftsleben, dann sachgerecht.
§23 ImmoWertV – Alterswertminderung lautet:
„Die Alterswertminderung ist unter Berücksichtigung des Verhältnisses der Restnutzungsdauer (§6 Absatz 6 Satz 1) zur Gesamtnutzungsdauer der baulichen Anlagen zu ermitteln. Dabei ist in der Regel eine gleichmäßige Wertminderung zugrunde zu legen. Gesamtnutzungsdauer ist die bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung übliche wirtschaftliche Nutzungsdauer der baulichen Anlagen.“
Die lineare Wertminderung steht also im Vordergrund.
Ich selbst bewerte seit dem 03.10.1990 bebaute und unbebaute Grundstücke. Da ist eine Vielzahl an Grundstücken zusammengekommen. Es gibt auch viele Gebäude, die erst vor einigen Jahrzehnten gebaut wurden. Es gibt aber sehr viele Gebäude, die bereits Anfang des 20.Jahrhunderts errichtet wurden. Auch die Anfang des 20.Jahrhunderts gebauten Gebäude sind keine schlechten Gebäude. Ganz im Gegenteil es sind meist zweckmäßige Gebäude mit auffallend guter Substanz. Viele Gebäude wurden mehrfach modernisiert, saniert und erweitert. Bei anderen wurden nur Bad und E-Anlage neu hergestellt und vielleicht in dem Keller ein Anfang der 1990er moderner Heizkessel aufgestellt. Zimmertüren aus dem Baujahr sind regelmäßig vorhanden und Dachdeckungen seltener. Manchmal sind aber auch in den 1980er erneuerte Dacheindeckungen viel schlechter, als die aus den 1920er Jahren erhaltene Deckung des Nachbarhauses. Also alles in allem ein weites Feld. Weiß man bei einem PC mit Herstellungsjahr 1995 üblicherweise ziemlich genau was man erwarten kann, weiß man dies bei dem Haus mit Baujahr 1950 nicht.
Setzen wir einmal über einen Zeitraumen von 100 Jahre gleiche Wertverhältnisse voraus. Betrachten wir nun ein Wohnhaus Baujahr 1920. Die Frage nach Sanierungsmaßnahmen und/oder Modernisierungsmaßnahmen lassen wird unbeantwortet. Wir unterstellen einfach nur, dass sich das Wohnhaus stets in einem nutzungsfähigen Zustand befand. Also es nicht durchregnete und auch Türen und Fenster nicht fehlten.
Die lineare Wertminderung würde hinsichtlich des Ansatzes der Restnutzungsdauer zunächst so aussehen. Man erkennt gut die lineare Funktion.
Aber wir haben ja die wirtschaftliche Restnutzungsdauer im Blick, so dass der Ansatz der Restnutzungsdauer in einem mehr oder weniger großen Bereich angenommen wird. Wie der Ansatz erfolgt kann und soll an dieser Stelle unbeantwortet bleiben. Tuen wir so als würden die Optimisten die Restnutzungsdauer nicht über 40 Jahre annehmen und die Pessimisten nicht unter 20 Jahre.
Die Restnutzungsdauer würde also in dem im folgenden Diagramm grünlich markierten Bereich liegen.
Außer einer ganz flach abfallenden Geraden kann man in dem grünlich markierten Bereich keine lineare Funktion unterbringen. Eine lineare Funktion mit einem Anstieg (-)100/GND kann man in dem grünlich markierten Bereich überhaupt nicht unterbringen. Wir haben zwar nach Definition eine lineare Wertminderung (-)100/GND, da wir aber nach fachlich begründeten Überlegungen die Ausgangsgrößen anpassen, ist das Maßband in Wahrheit ein Gummiband. Hat man es zunächst tatsächlich mit einem Rückgang der Restnutzungsdauer zu tun, gelangt man nach einiger Zeit zu einem Bereich in dem die Restnutzungsdauer nun vielleicht nicht gleich bleibt, aber sich zumindest nur noch in einem engen Bereich nach oben und unten bewegt.
Betrachtet man nun die Wertminderung wegen Alters sieht es zunächst so aus:
Tatsächlich erfolgt aber die Wertminderung wegen Alters in einem mehr oder weniger großen Bereich:
Auch hier kann man natürlich außer einer ganz flach abfallenden Geraden keine lineare Funktion einbauen und schon gar keine mit dem Anstieg (-)100/GND. Nun wissen wir alle, dass in aller Regel mit steigendem Sachwert Abschläge auf den Sachwert zur Anpassung an den Verkehrswert zu berücksichtigen sind und mit geringer werdendem Sachwert wahrscheinlich Zuschläge. Entsprechende Angaben kennen wir alle. Vielleicht sind es dann bei einem Sachwert in Höhe von 200.000€ 20v.H. als Abschlag und bei einem Sachwert von 50.000€ 20v.H. als Zuschlag. Wie der Sachwert zu Stande kommt bleibt bei den Marktauswertungen weitestgehend unbeantwortet. Mir ist zumindest nicht bekannt, dass in den Auswertungen beispielsweise stehen würde „Sachwert so hoch, weil die Wohnfläche so groß ist oder weil sich im Keller ein Swimmingpool befindet“. Ich denke es ist nicht falsch, wenn man einen hohen Sachwert mit einem Gebäude mit hoher Restnutzungsdauer in Verbindung bringt und einen geringen Sachwert mit einem Gebäude mit geringer Restnutzungsdauer. Berücksichtigt man diese Abschläge, nicht erst bei der Marktanpassung, sondern bei der Wertminderung wegen Alters, so ergibt sich folgender Wertminderungsverlauf.
Der gesamte Einfluss, welcher ab einem gewissen (tatsächlichen) Gebäudealter von der Wertminderung wegen Alters ausgeht, ist regelmäßig (wie hier in dem Beispiel) eine Wertminderung in dem Bereich zwischen 50 und 70v.H.. Nicht mehr und nicht weniger.
Wir haben es einerseits mit einer nur scheinbaren linearen Wertminderung zu tun und andererseits mit einem Scheinriesen, welcher uns eine Wertminderung zwischen 0 und 100v.H. vorgaukelt. Kommen wir dem Scheinriesen näher, bleibt aber ab einem gewissen Alter regelmäßig nur ein Wertminderung wegen Alters in dem Bereich zwischen 50 und 70v.H..
Im Rahmen des, nach ImmoWertV und Sachwertrichtlinie, zu erwartenden Ablaufes des Sachwertverfahrens, wird der Verkehrswert also nicht entscheidend von der linearen Wertminderung wegen Alters bestimmt, sondern von ganz anderen Faktoren.
So Zeit ist ergänze ich die Ausführungen.
Calau, den 05.01.2014