Altanschließerbeiträge - keine Auskunft möglich

 

Auch wenn meine Studienzeit schon viele Jahre her ist, so sind manche Ereignisse dennoch in guter Erinnerung. So zum Beispiel die (angeblich wahre) Lieblingsgeschichte eines Professors. Der Assistent kam immer wieder zu dem Professor und erinnerte diesen an die bevorstehende Prüfung und die immer noch fehlenden Prüfungsfragen. Irgendwann meinte der Professor die Fragen sind längst fertig, wir nehmen die Fragen vom Vorjahr. Darauf bemerkte der Assistent entsetzt, dass die Studenten diese Fragen doch kennen. Der Professor beruhigte den Assistenten und meinte, das macht nichts, wir ändern die Lösungen.

 

Was hat diese nicht mehr ganz frische Geschichte mit den Anschlussbeträgen zu tun? Die Antwort will ich offen lassen.

 

Ich bewerte seit dem 03.10.1990 bebaute und unbebaute Grundstücke. Da ich zunächst keine Ahnung hatte, besuchte ich in dem ersten Jahr meiner Tätigkeit über 50 Seminare. Man muss dabei wissen, dass dies nach dem 03.10.1990 weder schwer, noch sonderlich teuer gewesen ist. Es wurden gerade für Bürger aus dem Osten überall preiswerte und meist qualitativ gute Veranstaltungen angeboten. Am Morgen waren diese Veranstaltungen oft voll, am Mittag konnte man sich den Platz aussuchen und zum Kaffee fanden Teilnehmer und Referenten um einen Tisch Platz. Ganz nebenbei lernte man noch Autobahnen und viele Städte kennen.

 

Jedenfalls spätestens nach der 5.Veranstaltung wusste ich, dass für vor dem 03.10.1990 (in den Neuen Ländern) erfolgte Erschließungsmaßnahmen keine Beiträge und/oder Abgaben erhoben werden bzw. erhoben werden können. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir eine Veranstaltung die sich nicht an Sachverständige für die Bewertung bebauter und unbebauter Grundstücke richtete, sondern direkt an Städte und Verbände. Auch hier kam von einem Teilnehmer die Frage nach Beiträgen und/oder Abgaben für bestehende Anlagen. Die Antwort war so, dass sich der Fragesteller wohl wünschte, die Frage nicht gestellt zu haben. Als trotzdem eine weitere Frage kam, wurde der Fragesteller seinerseits gefragt, ob er denn nicht zugehört habe und wer denn auf welcher Grundlage einen Bescheid schicken wolle, worauf alle anderen lachten.

 

Vor ein paar Tagen habe ich nun einen Wasser- und Abwasserzweckverband um Auskunft nach der rechtlichen Erschließung gebeten. Das Grundstück ist um 1980 an eine zentrale Abwasserbeseitigungsanlage angeschlossen worden. Der Anschlussschacht ist tatsächlich vorhanden und tatsächlich wurden auch die laufenden Kosten stets bezahlt. Ich erhielt keine Auskunft. Die Mitarbeiterin des Verbandes sagte mir am Telefon, sie wisse es nicht. Nach dem letzten Urteil des OLG Brandenburgs hat der Verband jetzt bis 2015 Zeit eine Antwort zu finden, frühestens 2015 können entsprechende Ansprüche verjähren (15 Jahre Verjährungsfrist, beginnend mit dem Jahr 2000!). Ich bat mir dies so in Schriftform mitzuteilen. Mitgeteilt wurde mir dann, dass das Grundstück einen Anschluss hat und aktuell keine offenen Forderungen bestehen. Das war alles.

 

Vor vielen Jahren habe ich ein Wohngebiet in einem Zwangsversteigerungsverfahren bewerten dürfen. Das Wohngebiet war neu erschlossen worden und die Erschließung war bis auf ein paar Kleinigkeiten fertig. Es gab auch einen Erschließungsvertrag zwischen Bauträger und Verband hinsichtlich der Übernahme der Erschließungsanlagen nach deren Fertigstellung. Einzelne Grundstücke waren auch verkauft und bebaut. Zu der rechtlichen Erschließung teilte mir der Wasser- und Abwasserzweckverband schriftlich eine offene Forderung in Höhe von 24DM/m2 mit. Ich habe telefonisch nachgefragt und berichtet, dass die Anlagen fertig sind und längst genutzt werden. Daraufhin kam ein Fax mit einer neuer Auskunft und einer Forderung in Höhe von 12DM/m2. So habe ich mein Gutachten auch erstellt und der Wasser- und Abwasserzweckverband hat diese Forderung in dem Verfahren auch geltend machen können. Viele Jahre später habe ich im Zusammenhang mit einer Ehescheidung ein nun bebautes Grundstück bewertet. Ich kannte das Gebiet genau und hielt so eine Nachfrage bei dem Wasser- und Abwasserzweckverband für entbehrlich. Dies war falsch, denn es stellte sich heraus, dass der Verband vor einigen Jahren erneut Beiträge erhoben hat. Dies waren zwar nur 1.800€ aber bei dem 300m2 kleinen Grundstück immerhin 6€/m2. Ich habe auch dort angerufen und mich gut unterhalten. Jedenfalls meinte der Mitarbeiter ich solle mich nicht so haben. Ein Gutachten ist ja nur eine Schätzung und 1.800€ mehr oder weniger sind ja bei einem Grundstückswert des bebauten Grundstückes von 100.000€ nichts. Außerdem erinnerte mich der Mitarbeiter, dass ich selbst einmal gesagt hätte, der Bodenwert hätte keinen Einfluss auf den Verkehrswert. Genau aus diesem Grund stelle ich meine Ausführungen als ersten Beitrag unter dem Gliederungspunkt auf die Homepage. Im Übrigen habe ich dies nicht gesagt.

 

Aber ich will noch ein weiteres Ereignis schildern. Mir ist aus der Bewertung ein neues Wohngebiet bekannt. In diesem war die Bebauung als mehrgeschossig und in Teilen als Reihenhausbebauung zulässig. Es wurden aber keine mehrgeschossigen Gebäude errichtet, sondern stattdessen frei stehende Einfamilienhäuser. Genauso wie in dem gesamten Stadtgebiet üblich. Ich kenne das Wohngebiet, da an mich die Frage herangetragen wurde, welchen Bodenwert nur 1-geschossig bebaubare Grundstücke haben, wenn die mehrgeschossig bebaubaren Grundstücke für 50€/m2 verkauft werden. Ich antwortete offensichtlich besteht ja kein Interesse an mehrgeschossiger Bebauung. Es sind ja nur freistehende Einfamilienhäuser vorhanden. Insofern haben die Käufer längst eine Antwort gegeben. Im Umkehrschluss stellt sich  die Frage nach dem Bodenwert von Grundstücken die nur mehrgeschossig bebaut werden können. Da es keine Nachfrage gibt muss deren Wert sehr deutlich geringer sein.

Jetzt wurde mir berichtet, dass der Zweckverband die Beiträge nach der zulässigen Nutzung berechnet und die Grundstückseigentümer in dem Wohngebiet mit der zulässigen aber nicht realisierten mehrgeschossigen Bebauung eine Nachberechnung erhalten haben. Das angrenzende gewachsene Stadtgebiet wird hingegen aufgrund §34BauGB im Sinne der vorherrschenden 1-geschossigen Bebauung berechnet.

 

Nun gut damit und zu der völlig falschen und irrtümlichen Behauptung der Bodenwert habe keinen Einfluss auf den Verkehrswert. Der Verkehrswert wird in aller Regel nach dem Sachwertverfahren, dem Ertragswertverfahren und hin und wieder auch dem Vergleichswertverfahren bewertet. Grundstücke die zur Erzielung von Erträgen bestimmt sind, also beispielsweise Mehrfamilienhäuser, werden in aller Regel mittels des Ertragswertverfahrens bewertet. Hier hat der Bodenwert bei dem in Deutschland meist angewandten 2-strängigen Verfahren finanzmathematisch in aller Regel einen geringen oder einen ganz, ganz geringen Einfluss. Es ist mathematisch fast gleich, ob man mit 100€/m2 oder 10€/m2 oder auch -100€/m2 Bodenwert rechnet. Mittelbar wird der Bodenpreis aber natürlich in den Erträgen abgebildet, so dass die Bodenwerthöhe, welche auch ein Abbild der Lage ist, natürlich einen Einfluss hat.

 

Wenn es aber zwischen dem der Nutzung zuzurechnenden Bodenwert und dem Bodenwert des Grundstückes Unterschiede gibt, so fließen diese Unterschiede natürlich in den Ertragswert direkt ein. Wenn das Grundstück 2.000m2 groß ist, aber der Nutzung Mehrfamilienhaus nur 1.000m2 zuzurechnen sind und die anderen 1.000m2 anders zu nutzen sind, so ist bei der Ertragswertermittlung der Gebäudereinertrag auch nur unter Abzug des Bodenverzinsungsbetrages der der Nutzung zuzurechnenden Fläche zu ermitteln.

 

Wenn aber andererseits das Grundstück nur 500m2 groß ist, 1.000m2 aber für die Nutzung benötigt werden und die anderen 500m2 in irgendeiner Form genutzt werden oder zu beschaffen sind, so fließen auch diese Unterschiede natürlich in den Ertragswert direkt ein. Bei der Ertragswertermittlung ist der Gebäudereinertrag in sachgerechter Weise unter Abzug des Bodenverzinsungsbetrages der für die Nutzung zuzurechnenden Fläche zu ermitteln.

 

Nichts anderes ist die Frage nach der rechtlichen Erschließung zu beurteilen. Wenn Nutzung und Erträge eine funktionierende Abwasserbeseitigungsanlage benötigen, so ist bei der Ertragswertermittlung der Gebäudereinertrag unter Abzug des Bodenverzinsungsbetrages, der für die Nutzung erforderlichen Bodenqualität, zu ermitteln. Gleich ob tatsächliche Erschließung des Grundstückes und rechtliche Erschließung des Grundstückes identisch sind, oder nicht.

Dies soweit zu den korrespondierenden Bodenwerten.

 

Leider sind aber meine Aussagen nicht vollständig und ich muss der Vollständigkeit noch für richtige Verwirrung sorgen. Das Marktkorrektiv im Ertragswert ist der Liegenschaftszins. Dieser wird aus dem Markt abgeleitet. Wenn man nun bei der Ableitung des Liegenschaftszinssatzes handwerklich nicht sauber arbeitete und Unterschiede zwischen tatsächlicher und rechtlicher Erschließung nicht berücksichtigt hat, so muss auch dies sachgerecht beachtet werden. Eine Möglichkeit wäre es bei der Bewertung handwerklich ebenso so unsauber zu arbeiten. Aber um nicht weitere Verwirrung zu stiften, will ich enden.

 

Der Hinweis auf die im Vergleich zu dem Verkehrswert geringe Höhe der Beiträge ist einfach Murks. Man stelle sich vor der Verbraucher wird eines manipulierten Wasserzählers verdächtigt und argumentiert seinerseits man solle sich nicht so haben. Die wenigen Liter Wasser sind ja in dem Versorgungsnetz kaum zu messen.

 

Bei der Gelegenheit doch noch eine Anmerkung. Man hört öfters auch von Fachleuten, dass im Markt  keine Unterschiede gemacht werden, wie das Baugrundstück erschlossen ist. Bei allem Respekt, das stimmt mit Sicherheit nicht. Kein informierter Käufer zahlt für das an einem unbefestigten Weg gelegene Grundstück so viel, wie er zahlen müsste, wenn das ansonsten identische Grundstück an einer tatsächlich und rechtlich voll erschlossen Straße liegen würde.

 

Calau, den 20.11.2013